Fünf Wege zum besseren Zeichnen
Die eigenen Zeichenfähigkeiten zu verbessern ist nicht immer einfach. Grundlegende Punkte und Übungen können einem jedoch dabei helfen, seine Ziele zu erreichen. Diese Lektion enthält fünf nützliche Vorgehensweisen, deine zeichnerischen Fähigkeiten zu verbessern.
Ich werde zunächst erklären, wie man sich vor der Arbeit und dem Kompositionstraining vorbereiten sollte. Du kannst brillante Illustrationen erstellen und die Angst vor der leeren Seite vermeiden, wenn du diese entscheidenden Schritte befolgst. Anschließend beschreibe ich allgemeine Methoden zum Zeichnen und demonstriere eine einfache perspektivische Übung, um dich mit den Prinzipien vertraut zu machen. Ich werde mit Rendering-Tipps und wichtigen Punkten zur Motivation abschließen.
Endgültige Illustration
Lineart
1. Brainstorming
Zuallererst sind da die Kunden, die mit einer kurzen Beschreibung ihrer Anfrage kommen. Deren Ideen können sehr vage (z. B.: ein Ritter) oder sehr präzise (z. B.: ein dunkler Ritter mit grünen Augen, der eine goldene Rüstung trägt und ein furchteinflößendes Schwert hält) sein. Beide Situationen haben ihre Vor- und Nachteile. Wenn du ein professionelles Niveau erreicht hast, ist die Angst vorm leeren Blatt jedenfalls keine Option. Es ist schließlich dein Job, Wörter und Ideen in eine Illustration umzuwandeln. Um in diesem Stadium die Kreativität zu entfalten, gibt es einen großartigen Prozess: Brainstorming.
Notiere dir das Schlüsselwort in der Mitte eines Blatts und zeichne einen Kreis darum, um es als wesentliches Element zu kennzeichnen. Konzentriere dich dann auf die relevantesten Ideen, die mit diesem Thema zu tun haben. Wenn du sie dir auf Papier schreibst, wirst du sie definitiv nicht vergessen. Außerdem kannst du dir so einen Plan dafür erstellen, was du zeichnen möchtest. Für diese Lektion habe ich das Thema „Hirschzauberer” ausgewählt und es in alle Informationen aufgeteilt, die während des Briefings erwähnt wurden. Jedes dieser Wörter ist eine Inspiration für sich und durch das Verbinden dieser baust du eine Geschichte auf und entwickelst das Thema. Sobald ich genug Elemente in meinem Plan habe, beginne ich mit dem Skizzieren.
Brainstorming-Plan
Ich empfehle dir die Verwendung eines Skizzenbuchs als dein persönliches „Kunstexperiment“. Erfreulich, chaotisch und lebhaft, das ist der erste Rat, den ich allen meinen Schülern für ihr Skizzenbuch gebe. Zeichne einfach alles, was du willst. Das können eine vertraute Straße oder ein Paar, das zwei Tische vor dir in einem Restaurant sitzt, Alltagsgegenstände und natürlich Skizzen deiner laufenden Projekte sein. In unserem Fall wären es verschiedene Skizzen, die die Zusammensetzung dieses Hirschzauberers stützen.
Vorbereitung bedeutet auch das Sammeln von Dokumenten, auf die du dich beziehen kannst. Suche online nach Bildern, die deinen Vorstellungen entsprechen, um die Qualität deiner Arbeit zu verbessern. Das Ziel dieser Suche ist nicht zu kopieren, sondern sich inspirieren zu lassen! Zum Beispiel habe ich den Hirsch nicht von einem Foto oder einem Bild kopiert, sondern stattdessen viele echte Druiden- und Hirschbilder verwendet, um meine Komposition des Charakters zu verbessern. Im Allgemeinen vermeide ich die Verwendung von Zeichnungen als Grundlage, um nicht von ihnen beeinflusst zu werden. Ich benutze stattdessen Fotos.
2. Anfang
Die Komposition hängt an einer Reihe von Fäden, an denen du ziehst, um den Blick des Betrachters zu lenken und Emotionen hervorzurufen. Die Zwei-Drittel-Regel wird Schülern und Studenten generell auch im Unterricht oder in Kursen beigebracht. Zu dem Thema gibt es auch zahlreiche Online-Tutorials. Generell warne ich meine Schüler vor dieser groben Regel, die dazu neigt, einen zu sehr in Schemata denken zu lassen. Stattdessen unterrichte ich die drei ausschlaggebenden Grundlagen einer Komposition: Kontrast, Details und Fluchtlinien.
Fluchtlinien
Verschiedene Kontraste werden genutzt, um Unterschiede zwischen Elementen hervorzuheben. Je größer diese Unterschiede sind, desto faszinierender wird es für den Betrachter. Beispielsweise zieht ein weißer Punkt auf einem schwarzen Untergrund den Blick sofort auf sich, wie es das Licht in einer dunklen Umgebung tun würde. Wenn die Helligkeit überwiegt, schauen wir instinktiv auf die dunklen Elemente. Dieser Punkt gilt auch für Menschen; uns würde das einzige Kind in einer Szene voller Erwachsener genau so ins Auge fallen, wie wenn wir einen Opa in einem Kindergarten bemerken würden. Hier ist die Illustration dunkel, so dass das Auge auf helle, leuchtende Bereiche reagiert.
Details sind ebenfalls geeignet, den Blick des Betrachters zu lenken. Auch hier geht es nach wie vor um Kontrast – zwischen Bereichen mit vielen und wenigen Details. Der Blick der Charaktere muss vorsichtig behandelt werden, wenn du deren Gesichter hervorheben möchtest. Zu viele Details lassen ein Werk zu überfüllt wirken, deshalb halte die Umgebung schlicht, wenn du auf etwas Bestimmtes aufmerksam machen möchtest.
Und dann sind da noch die Linien zur Kennzeichnung der Bewegung, die es zu bedenken gibt. Wenn die Linien und damit der Verlauf aller Bewegungen auf einen zentralen Punkt zulaufen, zieht das den Blick unweigerlich an. Beachte zum Beispiel in meiner Illustration wie die Wolken und die Blickrichtung zur Quelle der Magie führen.
Diese Konzepte kann man sich ganz einfach anlernen, indem du dir Werke (Illustrationen, Comics, Storyboards für Filme usw.) ansiehst, die dir gefallen, und die folgenden Fragen beantwortest:
Welche Bereiche stehen in Kontrast zueinander und wie?
Wo konzentrieren sich die Details?
In welche Richtung bewegen sich die Elemente?
Durch das Studieren der Techniken deiner Lieblingskünstler kannst du die Ausdruckskraft deiner Kompositionen verbessern. Gewöhne dir an, dir Fragen wie die obigen zu stellen, wenn du an einem Projekt arbeitest. Versuche dir deine Arbeiten auch aus der Perspektive des Betrachters anzuschauen. Finde heraus wie weit der Betrachter vom Mittelpunkt der Szene entfernt ist.
Komposition
Es hilft auch, wenn du dir kleine Kompositionsausschnitte mit einer Größe von 5 cm erstellst, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wenn eine winzige Version deiner gesamten Komposition klar ausdrückt, was du versuchst darzustellen, funktioniert dies auch im größeren Maßstab.
Ich habe mich entschieden, die Komposition zu verwenden, die näher am Zauberer liegt, um die Intensität der Quelle der Magie mit ihm zu spüren. Es gibt keine schlechten oder guten Ideen. Frage dich einfach, ob die Komposition die während des Briefings geäußerten Bedürfnisse erfüllt, und wende deinen Sinn für Ästhetik an.
3. Formen
Die Formgebung einer Zeichnung ist ein wesentlicher Bestandteil des Entstehungsprozesses. Entsprechend deiner Komposition musst du die Szene auf Basis der Linien, die die Bewegung kennzeichnen, und der Gewichtung der verschiedenen Elemente aufbauen. Üben mit der Perspektive ist notwendig, um diesen Schritt zu erreichen. Das kann man nicht in einem Absatz zusammenfassen. Ich lege dir sehr ans Herz, das in deinem Skizzenbuch zu probieren. Nimm dir einfach einen Alltagsgegenstand, wie einen Stuhl, einen Becher oder ein Möbelstück; vorzugsweise etwas in deiner Nähe. Sobald du dich an einfache Objekte gewöhnt hast, kannst du es mit etwas Komplexem wie einer Straßenlaterne oder einem Videospiel-Controller erneut versuchen. Ziel dieser Übung ist es, das Objekt in geometrische Grundformen zu zerlegen. Versuche es aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen. Das Vereinfachen eines Objekts kann in einigen Fällen besondere Aufmerksamkeit erfordern. Mache es dir einfach, indem du Würfel, Quader, Pyramiden, Zylinder und Kugeln verwendest.
Konstruktion 1
Konstruktion 2
Wenn du dich täglich herausforderst, werden Perspektive und Komposition bald keine Geheimnisse mehr für dich sein!
4. Anatomie verstehen
Sobald deine Formen stimmen, kannst du mit dem Zeichnen beginnen. Gute Kenntnisse der Anatomie und des Designs helfen dir hier. Mit Design meine ich das Verständnis wie Dinge aufgebaut sind und miteinander interagieren. Wenn du beispielsweise weißt, wie eine Tür an etwas befestigt ist, kannst du Fehler beim Zeichnen bezüglich des Öffnungsprozesses, des Maßstabs und der Proportion vermeiden. Die Anatomie ist vermutlich eines der wichtigsten und zugleich interessantesten Themen während des Zeichenstudiums. Die Beherrschung der menschlichen Anatomie führt schließlich zu Zoomorphismus, Anthropomorphismus und Design von Kreaturen.
Anatomie der Figur
Ich schlage vor, mit der Analyse der Proportionen und der Mechanik des menschlichen Skeletts zu beginnen. Schaue dir jeden einzelnen Knochen und die Art und Weise an, wie sie sich bewegen, angefangen mit dem Schädel und dem Unterkiefer. Wenn du es schaffst, einen menschlichen Kopf mit den richtigen Proportionen aus verschiedenen Perspektiven zu zeichnen, sollte das Zeichnen der restlichen Knochen ein Kinderspiel sein. Du solltest jedoch die eigentümliche Form des Beckens nicht unterschätzen, da dies einer der Hauptindikatoren für die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sein kann. Neben den Genitalien ist der Hauptunterschied zwischen Männern und Frauen das Verhältnis ihrer Knochen. Auf jeden Fall empfehle ich zu lernen, wie man Knochen genau zeichnet. Sobald du dieses Wissen hast, wird das Studium der Muskeln nicht nur einfacher, sondern auch angenehmer. Stelle dir vor, wie an Fäden gezogen wird, um die Mechanik der Knochen zu aktivieren. Dies macht wiederum deutlich, warum sich die einzelnen Muskeln dort befinden, wo sie sich befinden. Gib dir wirklich viel Mühe, um die richtigen Proportionen beim Zeichnen der Anatomie oder des Charakterdesigns zu ermitteln. Wenn sie korrekt sind, wird dein Charakter glaubwürdig sein.
Lineart
5. Kolorieren
Eine Frage sollte sich vor Beginn des Kolorierens stellen: Wo wird die Lichtquelle sein? Das ist eine universelle Frage und wurde sogar zu einem Internet-Hype.
Grundfarben
Ich schlage daher vor, dass du die zuvor angesprochene Übung zur Perspektive mit deinem Smartphone oder einer echten Taschenlampe als Lichtquelle vollendest. Platziere sie in der Nähe des Motivs und beobachte das Licht. Beachte dabei, dass die Leuchtkraft eines Motivs je nach Ausrichtung variiert. Beispielsweise breitet sich das Licht auf einer ebenen Fläche in der Regel gleichmäßig aus, auf runden Elementen jedoch geneigt.
Ein gutes Verständnis der Farbenlehre ist ebenfalls ein Muss. Wenn du zwei Zeichnungen miteinander vergleichst, sticht die farbige normalerweise hervor. Mit Farben lassen sich so viele Dinge erklären, dass man damit fast eine ganze Bibliothek füllen kann. Daher werde ich das Thema in dieser Lektion außen vor lassen. Die Schritte meiner Illustration helfen dir allerdings den Zeichenprozess besser zu verstehen: Ich habe logischerweise damit begonnen, alle Formen mit dunklen Tönen zu füllen, um die Nacht darzustellen. Dann habe ich intensives Licht (Füllmethode für die Ebene: Normal) und Schatten (Füllmethode für die Ebene: Multiplizieren) gemalt. Du musst zwei Ziele erfüllen, wenn du Licht und Schatten hinzufügst. Erstens, entscheide, welche Art von Atmosphäre und Stimmung dein Werk haben soll. Bei meiner Illustration ist es Mystik. Zweitens, drücke das Volumen der Elemente in deiner Szene aus. Für einen Anfänger kann sich dieser Schritt wie ein reines Puzzle anfühlen. Ich rate dir, dich in kleinen unabhängigen Objekten zu üben, anstatt komplette Szenen zu kreieren, um schneller voranzukommen. Nach ein paar Übungen kann dieser Schritt durchaus zu deinen Favoriten werden, wie es für viele erfahrene Künstler der Fall ist.
Finale Version
Zusammenfassung
Reich an Informationen möchte ich mit einer Zusammenfassung der in dieser Lektion vorgeschlagenen und empfohlenen Übung abschließen:
– Greif‘ nicht sofort zu deinem Bleistift! Wenn du dir etwas Zeit für ein Brainstorming nimmst, findest du möglicherweise noch aufregendere Ideen für die Entwicklung. Vergiss nicht, Quellenangaben für dein Projekt zu sammeln.
– Hol‘ dir ein Skizzenbuch und zeichne regelmäßig darin. Es ist praktisch, macht Spaß und du verbesserst schnell deine Zeichenfähigkeiten!
– Betrachte deine Lieblingswerke und zerlege sie in einfache Formen, um deinen Sinn für Kompositionen zu trainieren. Durch Nachbildungen kann man viel lernen!
– Reproduziere vereinfachte Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln, um perspektivische Darstellung zu üben. Sobald du mehr vertraut mit diesem Konzept bist, kannst du dich mehr auf detaillierte Objekte konzentrieren und beginnen, Schattierung hinzuzufügen.
– Verstehe Anatomie; beginne mit Skelettstudien, bevor du Muskeln zeichnest.
Zeichnen und Kunst im Allgemeinen öffnen die Tür zu einer lebenslangen, endlosen und faszinierenden Reise. Sei geduldig und bescheiden; versuche dich jeden Tag nach und nach zu verbessern. Mein letzter grundlegender Rat ist, dass du deine Arbeit Leuten zeigst und so viel Kritik wie möglich sammelst, um Fortschritte zu machen. Fürchte nicht die öffentliche Meinung; auch wenn es manchmal hart sein mag, hilft es dir doch, ein besserer Künstler zu werden.
Ich wünsche dir viel Glück bei deiner künstlerischen Odyssee!
Über den Autor
Mein Name ist Mehdi Abdi und ich bin ein freiberuflicher Game Illustrator. Ich biete Kurse zum Thema Zeichnen, Anatomie und Charakterdesign an der Brassart Aries School in Annecy an. Du kannst meine Arbeit in meinem Portfolio (http://www.mehdiabdi.fr/) und auf meinen Social Media-Seiten ansehen.
Instagram :https://www.instagram.com/mehdiabdiart
Artstation :https://www.artstation.com/mehdiabdi