Lichteffekte kreieren

Lichteffekte hinzufügen

Reuben Lara erklärt, wie man mit den Füllmethoden „Hinzufügen (Schein)“ und „Linear abwedeln“ in digitalen Illustrationen eindrucksvolle Lichteffekte und Highlights kreiert.

 

Erfahre, wie du in deinen Bildern die gewünschten Lichtverhältnisse erzeugst! Diesmal wird das Zeichenprogramm CLIP STUDIO PAINT und ein iPad Pro verwendet, aber die Anwendung ist in jeder Software möglich, in der Ebenenfüllmethoden verfügbar sind.

 

Farbstudien

 

Die Möglichkeit, einem Bild während oder sogar nach dem Zeichenprozess verschiedene Lichteffekte hinzufügen zu können, ist ein Grund zum Feiern, denn mit herkömmlichen Medien ist das nicht möglich! Aber bei digitaler Kunst kannst du in der Erstellungsphase mit verschiedenen Beleuchtungen herumexperimentieren und in deinen Bildern Schwerpunkte setzen. In der traditionellen Malerei müssen erst Farbstudien in Miniaturgröße erstellt werden, um die Farbtöne und Wertebereiche eines Bildes zu bestimmen, bevor man zum finalen Werk in Originalgröße übergeht. Bei digitaler Kunst können wir diese Entscheidungen im Handumdrehen treffen, und das, auch nachdem wir unser Bild schon zum größten Teil fertig gemalt haben. Das heißt aber nicht, dass man sich deshalb gar keine Gedanken mehr um die Farbpalette machen muss. Strebe immer eine harmonische Palette an, mit komplementären Farbsättigungen, die nicht miteinander konkurrieren, und tauche deine Bilder anschließend mit den folgenden Techniken in beeindruckendes Licht!

 

 

Lasst uns anfangen! Wir werden die zwei obigen Bilder als Beispiele verwenden; das erste Bild ist eher stilisiert und das andere eher traditionell. Beide haben einen begrenzten Farbumfang und ein begrenztes Sättigungsspektrum, demzufolge also keinen übermäßigen Kontrast. Sobald wir Lichteffekte hinzufügen, werden der Kontrast und die Sättigung jedoch steigen. Der eingeschränkte Kontrast sorgt dafür, dass die Details im Bild nicht verloren gehen, wenn mit Füllmethoden Licht hinzugefügt wird. Hier werden wir die Füllmethode „Hinzufügen (Schein)“ verwenden. In Photoshop heißt diese „Linear abwedeln (Addieren)“, aber der Effekt ist derselbe.

 

Was passiert bei „Hinzufügen (Schein)“?

 

Hier wurden zwei Ebenen erstellt, mit einem braunen Rechteck auf der unteren Ebene. Auf der oberen Ebene werden wir Pinselstriche über das Rechteck malen, um zu sehen, was die Füllmethode „Hinzufügen (Schein)“ bewirkt. Wenn die Füllmethode der oberen Ebene auf „Normal“ gestellt ist, hat der Pinselstrich dieselbe Farbe wie das Rechteck auf der Ebene darunter. Wenn die Füllmethode jetzt aber auf „Hinzufügen (Schein)“ gestellt wird, hat derselbe Pinselstrich eine viel hellere Farbe.

 

Es ist wichtig zu verstehen, was mit diesen Farben geschieht, damit man seinen Bildern auf effektive Weise Licht hinzufügen und die Lichtverhältnisse kontrollieren kann. Wenn wir in unserem Beispiel die Werte der Pinselstriche mit der Originalfarbe des Rechtecks vergleichen, indem wir mit der Pipette über die Farben fahren, stellen wir fest, dass der Sättigungswert unverändert bleibt, aber der Farbwert von 50 auf 100 erhöht wurde. Was aber passiert genau bei erhöhten Farbwerten? Je höher der Wert der Farbe ist, mit der wir malen, desto heller ist das durch die Füllmethode resultierende Ergebnis. Wenn wir mit weißer Farbe malen, wird unser Pinselstrich sehr, sehr hell, aber er weist immer noch eine leichte Tönung von der Originalfarbe auf. Das liegt daran, dass unsere Sättigung immer noch bei 50% liegt. Sobald wir die Sättigung auf Null senken, erhalten wir absolutes Weiß.

 

 

Das Gleiche gilt auch in die andere Richtung des Wertebereichs, also beim Hinzufügen von Schwarz anstelle von Weiß. Bei einem Wert für absolutes Schwarz, hat die Füllmethode keinen Effekt mehr: Wenn die Ebene auf „Normal“ gestellt wird, sieht man, dass mit Schwarz gemalt wurde, aber bei Anwendung von „Hinzufügen (Schein)“ ist das Ergebnis dieselbe Farbe wie die Originalfarbe, d.h. die Füllmethode hat keine Auswirkung auf die darunterliegenden Ebenen.

 

Warum Füllmethoden verwenden?

 

Warum aber Füllmethoden verwenden, wenn man auch einfach die aufgetragene Farbe selbst verändern kann? Mit Füllmethoden können wir, auch wenn wir mehrere verschiedene Farben auf unserer Leinwand haben, dieselbe Farbe benutzen, um die Werte und Farbtöne aller darunterliegenden Farben auf einmal zu verändern. Wenn wir zum Beispiel eine weitere Ebene mit der Füllmethode „Hinzufügen (Schein)“ erstellen und dann mit derselben braunen Farbe über die Pinselstriche malen, werden verschiedene Lichteffekte erzeugt, obwohl wir nur eine Farbe benutzt haben, weil sich die Füllmethode auf sämtliche darunterliegende Pinselstriche auswirkt.

 

Darüber hinaus können wir mit einem weichen Airbrush unterschiedliche Licht- oder Leuchtgrade erzeugen, wie schon der Name „Hinzufügen (Schein)“ sagt.  Dies unterscheidet sich auch von der Füllmethode „Negativ multiplizieren“, bei der wir nicht die Sättigung erhalten, die wir mit „Hinzufügen (Schein)“ bzw. „Linear abwedeln“ bekommen. Im Bild unten sieht man insbesondere am Rand der Pinselstriche den Unterschied, der mit „Hinzufügen (Schein)“ erzeugt wird. Zwischen dem dichtesten Teil der Farbe und der Stelle, wo der Pinsel abgesetzt wird, wirken die Pinselstriche brillanter und leuchtender.

 

„Hinzufügen (Schein)“ als Lichtquelle nutzen

 

Nachdem wir jetzt wissen, was die Füllmethode „Hinzufügen (Schein)“ bewirkt, werden wir sie auf unserem ersten Beispielbild anwenden! Dabei betrachten wir die Füllmethode als unsere Lichtquelle und berücksichtigen auch das gerichtete Licht, wie hier das Licht, das auf die Bäume und die Umgebung fällt. Indem wir unsere „Hinzufügen (Schein)“-Ebene hinter den Vordergrundbäumen erstellen, wirkt sich die Füllmethode nur auf die Hintergrundebenen aus. Wir können dann mit der Pipette eine Farbe aus dem Mittelgrund aufnehmen und diese mit einem weichen Airbrush auf die gewünschten Stellen auftragen, um Licht hinzuzufügen.

Das Licht sollte immer dort hingemalt werden, wo der Fokus im Bild liegen soll. Im oberen Bild ist die Sonne genau in der Mitte. Im unteren Bild ist die Sonne auf der rechten Seite, als würde der Radfahrer in den Sonnenuntergang fahren. Auf diese Weise können wir, indem wir die Lichtverhältnisse ändern, auch die Geschichte unserer Bilder ändern.

 

Beim Hinzufügen des Lichts wird irgendwann deutlich, dass es eine Grenze gibt, wie hell das Bild werden kann. Das liegt daran, dass der Wert unserer verwendeten Farbe nur einen bestimmten Weißheitsgrad aufweist, welcher den Wert der resultierenden Farbe vorgibt. Zudem gilt, dass je gesättigter die verwendete Farbe ist, desto weniger daraus absolutes Weiß resultiert.

 

Es ist also besser, dunklere Mittelfarbtöne zu verwenden, wenn man nicht zu früh ins zu Helle gehen will. Mit dem weichen Airbrush haben wir außerdem den Vorteil, dass wir solche Farbverläufe wie hier über den Wolken kreieren können. Indem wir den Wert erhöhen und die Sättigung reduzieren, können wir einen strahlenden Sonnenuntergang am Horizont erzeugen. Wenn die Farbe zu milchig wird, kann dies verbessert werden, indem transparente Farbe statt der Zeichenfarbe verwendet wird.

 

Vignettierung mit Schatten

 

Als Nächstes werden wir mit ein paar Schatten eine Vignettierung hinzufügen. Es gibt dafür mehrere Möglichkeiten, aber wir werden diesmal eine Rasterkurve verwenden. Zuerst erstellen wir eine Korrekturebene über das [Ebenen] Palettenmenü > [Neue Korrekturebene] > [Rasterkurve] und verdunkeln das Bild mit der Rasterkurve, um einen Eindruck davon zu bekommen, was im Bild passiert. Danach wählen wir den weißen Bereich in der Ebenenpalette aus und löschen ihn, damit er keinen Einfluss mehr hat. Mit dem weichen Airbrush können wir dann, nachdem wir etwas ausgezoomt haben, über die Bildränder malen, um sie kreisförmig abzudunkeln. Auf diese Weise können wir mit den Schatten, genau wie vorher mit dem Licht, den Fokus auf die gewünschten Bildstellen lenken. Mit der Rasterkurve können die Farben auch dramatisch verändert werden.

 

Mit und ohne Füllmethode:

 

 

Zweites Anwendungsbeispiel

 

Wenn wir die oben beschriebenen Techniken nun auf unser zweites Beispielbild („No Worries“) anwenden, indem wir eine „Hinzufügen (Schein)“-Ebene hinzufügen und das Bild mit einer Rasterkurve anpassen, ist unser Ergebnis folgendes:

 

Es kann sehr leicht passieren, dass man es beim Hinzufügen von Licht übertreibt. Das Schöne an der eingeschränkten Farbpalette in diesem Bild sind die Grautöne, daher sollten diese beibehalten werden. Wenn man aber zu viel Licht hinzufügt, wird das Bild übersättigt und wirkt weniger elegant.

 

Eine weitere Technik ist das Herumspielen mit der Farbbalance, um einige Farbabstufungen insgesamt zu verändern. Wenn wir zum Beispiel etwas mehr Grün hinzufügen möchten, können wir eine [Neue Korrekturebene] > [Farbbalance] erstellen, um diese Anpassungen vorzunehmen.

 

Mit dem weichen Airbrush können wir dann über die Stellen malen, wo das Grün mehr durchdringen soll. Zu viel Sättigung oder Kontrast führt allerdings dazu, dass die ursprüngliche Wirkung des Bildes verloren geht, deshalb ist es wichtig, nicht zu übertreiben.

 

Mit den hier genannten Methoden können in jeder beliebigen Zeichensoftware Leuchteffekte erzeugt werden. Achte immer darauf, dass du die Kontrolle über deinen Entscheidungsprozess behältst, und – noch wichtiger – hab Spaß!

 

 

・Künstlerprofil:

 

Reuben Lara ist ein traditionell ausgebildeter Künstler, der hauptsächlich CLIP STUDIO PAINT und Adobe Photoshop verwendet, und Video-Tutorials für Anfänger und Fortgeschrittene anbietet, viele davon kostenlos. Er gibt einen Überblick über grundlegende Tools, die sowohl bezahlbar als auch leicht zugänglich sind, und zeigt anerkannte Techniken und Methoden, die er seit über 20 Jahren in der Design- und Illustrationsbranche unter Beweis stellt. Sein Ziel ist es, Künstlern dabei zu helfen, digitales Zeichnen zu lernen, technische Hürden zu überwinden und Spaß beim Erstellen von Werken zu haben.