Digital Zeichnen Teil 1 – Erste Schritte
Willkommen zu Einfach Gut Zeichnen (kurz “Egz”)! Mit diesem und den kommenden Tutorials möchte ich anderen Zeichnern einen Einblick in meine Arbeitsweise geben und dabei hoffentlich ein paar coole Tipps und neue Sichtweisen vermitteln! Wenn ihr Vorschläge für Tutorial-Themen habt, schreibt mir einfach eine Mail an: ink-pop (at) the-wired.de. Fangen wir also an!
In diesem Tutorial für fortgeschrittene Zeichner befasse ich mich dem digitalen Zeichnen; also meiner Vorgehensweise, wenn ich ausschließlich am Rechner arbeite. Fortgeschritten bedeutet hierbei, dass ich besonders auf die Feinheiten und meine Denkweisen eingehe, weniger auf das Erklären der Grafikprogramme selbst.
Anhand einer aktuellen Auftragsarbeit zeige ich euch Schritt für Schritt, wie ich ein Cover für einen Kurzmanga entwerfe, der später auch gedruckt werden soll. Im ersten Tutorial zum Thema geht es hauptsächlich um die Motivsuche und auf was man bei einem Coverentwurf besonders achten muss.
Wenn ich für einen Kunden arbeite, ist es wichtig, immer mehrere Entwürfe zur Verfügung zu stellen. Jeder hat andere Vorstellungen, was ein „perfektes Cover“ ausmacht. Wenn man mehrere Bildideen zusammen diskutiert, wird am Ende fast immer das Bild ausgesucht, das geschmacklich den größten gemeinsamen Nenner trifft und genau das will man bei einem Cover ja! Viele sollen es ansprechend finden und den Manga kaufen.
Solltet ihr euch also mal nicht für ein Motiv entscheiden können, kann es hilfreich sein, andere Leute (auch Nichtzeichner!) um ihre Meinung zu bitten. Seid aber nicht sauer, wenn sie euren Favoriten doof finden.
Unten seht ihr meine drei Entwürfe:
Wie ihr sicher merkt, zeichne ich Motiventwürfe sehr grob. In diesem Stadium geht es mir nicht um anatomische Korrektheit; ich will einfach nur so viele Ideen so unkompliziert wie möglich aufs Papier bringen. Denn es kann ja gut sein, dass der Kunde keine davon ansprechend findet.
In diesem Fall muss ich schnell neue Entwürfe machen und die alten verschwinden dann in der Schublade (oder im Papierkorb!). Wäre doch schade, wenn ich da schon stundenlange Arbeit hineingesteckt hätte. Effizient mit meiner Zeit umzugehen ist einer meiner Grundsätze beim Arbeiten.
Für diesen Entwurf habe ich einfach in meinem Grafikprogramm in geringer Auflösung (72 dpi) herumskizziert. Ihr merkt sicher, dass die drei Entwürfe im Grundsatz sehr ähnlich sind. Das hat einen guten Grund: Sie befolgen alle gewisse Regeln, die ich beim Coverzeichnen fast immer beherzige.
Meine drei Grundsätze für ein Cover:
1) Die Figuren sollten den Betrachter einladend direkt anschauen. „Schau mal rein!“ „Kauf mich!“ In diesem Fall sind beide Figuren gleich wichtig, deshalb schauen sie „uns“ beide an.
2) Ihre Mimik sollte die Grundstimmung des Manga wiederspiegeln (Hier: Fröhlich).
3) Besondere Sorgfalt in den Gesichtern (Sie müssen auch gespiegelt perfekt aussehen!) aber auch in der Körpersprache. Ein Cover ist DAS Aushängeschild eures Manga. Wenn ihr euch irgendwo Mühe gebt, dann hier!
Letztendlich hat sich der Kunde übrigens für den dritten Entwurf entschieden. Zeit also, das Bild etwas zu konkretisieren:
Wie ihr seht, sind meine Skizzen sehr grob. Macht aber nichts, da der Kunde diesen Arbeitsschritt eh nicht zu Gesicht bekommt. Hauptsache, ihr als Zeichner wisst noch, was wohin gehört.
Auch dieser Schritt erfolgt digital und grad beim Skizzieren zeigt sich, wie praktisch Grafikprogramme sind. Ihr könnt mit einem Mausklick spiegeln, drehen, die Größe ändern usw., bis ihr die perfekte Grundlage habt. Und das alles, ohne ein einziges Mal zeitaufwändig scannen zu müssen. Schöne neue Welt!
Am Anfang erwähnte ich, dass das Cover auch gedruckt wird, hier also ein paar Tipps, wie es später klar und nicht verpixelt im Druck erscheint:
Sobald ihr das Endformat des Drucks kennt, solltet ihr auch in diesem Format zeichnen. Wichtig hierbei sind eine hohe dpi Zahl (300 dpi für Farbbilder, 1200 dpi für schwarze-weiße Mangaseiten) und die korrekten Bildabmessungen in cm.
Druckt ihr die Bilder kleiner, z.B. in A5 oder B5 sollte die Urspungsdatei trotzdem recht groß sein, man weiß ja nie, ob man nicht doch mal Poster vom Cover drucken möchte.
Unten seht ihr das sauber digital getuschte Bild. Über den genauen Verlauf beim Tuschen am Rechner werde ich im nächsten Tutorial ausführlich reden.
Wie ihr seht, habe ich meine Grundsätze für die Covergestaltung beibehalten. Für ein dynamisches Motiv empfehlen sich außerdem immer Überlappungen der Figuren. Auf dem rechten Beispiel habe ich die Figuren extra eingefärbt, um die Überschneidungen deutlich zu machen. Das hebt auch gut die emotionale Nähe der Figuren hervor:
Da die Geschichte des Kurzmanga eine Liebesgeschichte ist, die aber ohne viel Schmalz oder Erotik auskommt, habe ich bei der Körpersprache und Mimik einige bestimmte Kniffe angewendet. Hier einige der wichtigsten Punkte:
1) Die beiden schauen fröhlich aber sie schmachten sich nicht an. Ihre Liebe ist noch im Entstehen.
Außerdem schauen beide den Betrachter an – Sie sind beide „Hauptfiguren“.
2) Ihre Mimik ist deckungsgleich; das verdeutlicht ihre Bindung und Zusammengehörigkeit.
3) Sie berühren sich (Nähe!) aber nur sanft an den Fingern, nicht sexualisiert (Po, Gesicht) oder allzu nah.
4) Er drückt sie noch nicht fest an sich, vielmehr schwebt seine Hand vor ihrem Rücken. Er ist also eher schüchtern, weiß noch nicht, was er sich erlauben darf.
Ist das nicht erstaunlich? All das könnt ihr durch sorgfältige Planung bereits aussagen. Trefft eure Entscheidungen bezüglich der Körpersprache also immer bewusst!
Damit wären wir am Ende des ersten Tutorials angekommen. Wir sehen uns beim nächsten Tutorial, bei dem es um das digitale Tischen geht! Bis dann!